zyprische Kunst

zyprische Kunst
zyprische Kunst,
 
kyprische Kunst, Kunst und kulturelle Zeugnisse Zyperns seit dem Neolithikum (ab 6. Jahrtausend v. Chr.). Durch die von frühester Zeit an bestehenden Kulturkontakte nach Osten und Westen und den aufgrund der Kupfervorkommen ausgedehnten Fernhandel, der zum Import künstlerischer Gegenstände führte, ist die zyprische Kunst einerseits charakterisiert durch die Verarbeitung der Einflüsse anderer Kulturen, weist aber vielfach auch eigenständige Entwicklungslinien auf.
 
Abgesehen von den Werkzeugfunden eines Siedlungsplatzes im Süden Zyperns (vor der Mitte des 9. Jahrtausends v. Chr.) gehen die frühesten Siedlungsfunde in das präkeramische Neolithikum des frühen 6. Jahrtausends v. Chr. zurück. Dazu gehören in Chirokitia Reste von zu Gehöften angeordneten steinernen Rundbauten mit Kegeldächern, deren Grundmauern bis zu 2,5 m stark sind; östlich einer breiten Steinmauer liegen die ältesten Häuser. Auch Reste einer späteren zweiten Befestigungsmauer wurden entdeckt. Tote wurden in Hockerstellung unter dem Fußboden begraben. Ihnen beigegebene Obsidiansplitter und Karneolperlen sind Überseeimporte. Außerdem fand man anthropomorphe Kultfigürchen. Keramik wurde auf Zypern erst im Chalkolithikum hergestellt (»Red on white ware«, nach dem Hauptfundort auch Erimikeramik). Die kleinen, jetzt deutlich weiblichen Idole sind von »kreuzförmiger« Gestalt, meist infolge der ausgebreiteten Arme, und aus Steatit oder Ton gefertigt. Der früheste Metallfund, ein Bronzemeißel, wurde in Erimi gemacht.
 
Die kulturgeschichtlich bedeutende Bronzezeit Zyperns wird in drei Hauptperioden eingeteilt: frühe (2300-2000 v. Chr.), mittlere (2000-1600 v. Chr.) und späte (1600-1050 v. Chr.) Bronzezeit. Die frühe Bronzezeit ist durch Fundstätten (v. a. Gräber mit Beigaben) u. a. in Vunus, Kurion, Phaneromeni (heute Episcopi) und Philia mit seinen Schnabelkannen bekannt. Großen Formenreichtum zeigt die mit Ritzmustern (Kammstrichdekor) und plastischem Dekor versehene Keramik (rot polierte Ware). Zur Imporware gehörten syrische Keramik, ägyptische Alabastergefäße und minoische Kamaresvasen. In Vunus wurden Tonmodelle gefunden, ein doppeltes Pfluggespann mit Ochsen und ein runder Kultraum, in dem sich neben menschlichen Figuren Stiere, Stiermasken und Schlangen befinden (Nikosia, Zypern-Museum). In der frühen und mittleren Bronzezeit verehrte man brettförmige Idole. In der mittleren Bronzezeit wurden wohl ab 1650 v. Chr. mächtige Festungsbauten errichtet (Reste bei Krini südwestlich der Bergfestung Sankt Hilarion; Hagios Sozomenos; Nitovikla), Anzeichen einer Unruhezeit (innere Fehden und/oder die Hyksos). Bei der Keramik überwiegen (1650-1200 v. Chr.) Bemalung auf weißem Grund (»White slip«) und polierte rote Ware mit weißen Ringen (»Base ring ware«). 1600-1550 v. Chr. wurde in Ostzypern auch aus dem palästinensischen Raum beeinflusste Ware hergestellt. In der späten Bronzezeit begann um 1550 v. Chr. eine Periode wirtschaftlicher und kultureller Blüte (Metallproduktion), die 1400-1200 v. Chr. ihren Höhepunkt erreichte, besonders in den Städten Enkomi (profane und sakrale Architektur), Kition (u. a. Astartetempel sowie reiche Kammergräber) und Palaipaphos (Aphroditeheiligtum). Es entstanden hervorragende Arbeiten der Goldschmiedekunst, der Elfenbeinschnitzerei, der Silberbearbeitung, der Toreutik sowie der Vasenmalerei. Die Vasen mykenischen Stils des 14. und 13. Jahrhunderts v. Chr. wurden nach heutiger Einschätzung importiert. In Kition war das Hauptheiligtum unmittelbar mit den Metallverarbeitungswerkstätten verbunden. Ein einheitlicher Zerstörungshorizont an verschiedenen Stätten (kurz vor 1200 v. Chr.; z. B. Amathus) ist wohl auf den Einfall der Seevölker zurückzuführen. Die Städte wurden bald wieder aufgebaut (Enkomi, Kition) und befestigt. Auch die Vorläufersiedlung von Kurion entstand in dieser Zeit; aus einem der Gräber stammt ein Goldzepter (11. Jahrhundert v. Chr.). In Enkomi wurden aus dem frühen 12. Jahrhundert v. Chr. Bronzestatuetten gefunden, ein »Hörnergott« und ein auf Kupferbarren stehender »Barrengott« (ebenfalls mit Hörnerkappe). Der Art und der Fülle der Funde nach zu schließen, gab es um 1100 v. Chr. verstärkte Zuwanderungswellen von Achaiern. Bereits die um 1125 v. Chr. in Zypern auftretende weißgrundige Keramik (»Proto white ware«) wird den ersten Gruppen von ihnen (aus Kreta) zugeschrieben, denn sie ist die Vorläuferware der in der Eisenzeit und später verbreiteten bemalten weißgrundigen Vasen (»White painted ware«). Gegen Ende der späten Bronzezeit (um 1050 v. Chr.) wurden viele Städte wohl durch Erdbeben zerstört.
 
In der Eisenzeit, den weniger bekannten »dunklen Jahrhunderten« (1050-600 v. Chr.), erlebten Salamis und Kition (Schwerpunkt der phönikischen Handelsniederlassungen) spätestens ab dem 9. Jahrhundert v. Chr. eine Blütezeit, die im 8. und 7. Jahrhundert v. Chr. andauerte und auch unter assyrischer Oberherrschaft (ab 709 v. Chr.) bestehen blieb. Aus der archaischen Kunstepoche (750-499/498 v. Chr.) stammt die in Süd- und Ostzypern hergestellte Gattung bemalter weißer Vasen im »Free field style«; die frei gesetzten Motive (Vögel, Rosetten, Menschen) sind offenbar von phönikischen und syrischen Textilien beeinflusst. In anderen Werkstätten entstanden schöne Exemplare der »White painted ware« und der »Black on red ware«. Bei Salamis wurden archaische Königsgräber mit reichen Beigaben entdeckt, in Hagia Irini über 2 000 archaische Votivterrakotten (625-500 v. Chr.), in Idalion Waffenweihungen, im phönikischen Tamassos eine Königsnekropole, Stadtanlage und Heiligtümer (Astarteheiligtum) mit Kalksteingroßplastik (Mitte 7. Jahrhundert v. Chr.). Deutlich griechisch beeinflusst ist die Kalkstein- und Terrakottaplastik des 6.-5. Jahrhunderts aus dem Apollonheiligtum von Idalion. Der hoch gelegene Palast von Vuni aus der klassischen Periode Zyperns (475-325 v. Chr.) ist wohl ein persischer Satrapenpalast. In hellenistischer (332-58 v. Chr.) und römischer Zeit (58 v. Chr.-395 n. Chr.) hatten Kunst und Kultur Zyperns an der Entwicklung im Mittelmeerraum teil, hellenistisch sind die Nekropole von Neapaphos und (als bekanntes Einzelwerk) die Aphrodite von Soloi (1. Jahrhundert v. Chr.), römisch die in beeindruckenden Resten erhaltene Monumentalarchitektur in Salamis, Kurion und Soloi. Prachtvolle römische Bodenmosaike des 4.-6. Jahrhunderts n. Chr. mit heidnischer oder frühchristlicher Thematik sind in Villen und Kirchenruinen (z. B. auf der Halbinsel Karpasia, in Kurion und Neapaphos) erhalten, in der Panhagia Angeloktistos in Kiti auch ein Apsismosaik (6. Jahrhundert).
 
Seit Ende des 10. Jahrhunderts n. Chr. entstanden eine Reihe byzantinischer Bergfesten (Hilarion, Kyrenia, Kantara). Die erhaltenen kleinen mittelalterlichen Kirchen besonders im Troodos bewahren Hauptwerke byzantinischer Wandmalerei, darunter als älteste überhaupt erhaltene byzantinische Fresken die von Asinu (1105-06) und - als kunsthistorischer Höhepunkt - die 1192 datierten Fresken im Komnenenstil in der Kirche von Lagudera. Zu den von der UNESCO als Weltkulturerbe erklärten freskierten byzantinischen Kirchen gehören auch die bei Kakopetria, die nördlich von Paphos (Hagios Neophytos) und die in Kalopanagiotis. Eine zweite Blütezeit (postbyzantinischen Wandmalerei) begann Ende des 15. Jahrhunderts unter den Venezianern. Die hochgotische Baukunst erlebte im 13./14. Jahrhundert eine Blüte; die meist französischen (»fränkischen«) Architekten errichteten u. a. Santa Sophia in Nikosia (1209-1326), Sankt Nikolaus in Famagusta (1298-1326), das Kloster Bellapais östlich von Kyrenia (13. und 14. Jahrhundert), die Oberburg von Hilarion (1391) und die »Königliche Kapelle« von Pyrga (1421) mit Wappen der Lusignan. Aus dem 15. Jahrhundert ist der ehemalige Wohnturm (1454) der Johanniterburg (Kolossi genannt) bei Limassol erhalten, auch die Halle ihrer Zuckerfabrik, die ein türkischer Pascha 1591 wiederherstellen ließ. Die Venezianer hinterließen mächtige Festungswerke (Kyrene, Nikosia, Famagusta), die sie ab 1544 gegen die Türken errichtet hatten. Die Türken benutzten diese und auch Kreuzfahrerfestungen zum Teil weiter, wandelten Kirchen in Moscheen um, erbauten neue sowie Bäder, Chane und Wohnhäuser; besonders bekannt sind ein Aquädukt (bei Larnaka) und die Grabmoschee Hala Sultan Tekke (1816) am Salzsee von Larnaka.
 
 
A. C. Brown u. H. W. Catling: Ancient Cyprus (Oxford 1975, Nachdr. ebd. 1986);
 
Archaeology in Cyprus 1960-1985, hg. v. V. Karageorghis (Nikosia 1985);
 D. Morris: The art of ancient Cyprus (Oxford 1985);
 K. Gallas: Zypern (1996);
 
Zypern - byzantin. Kirchen u. Klöster. Mosaiken u. Fresken, Beitrr. v. E. Hein u. a. (1996);
 A. Schneider: Zypern (Neuausg. 1997);
 V. Tatton-Brown: Ancient Cyprus (London 21997).

Universal-Lexikon. 2012.

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